Schweiz und die EU: Die handelspolitische Twilight-Zone

Handelsbeziehungsstatus: Es ist kompliziert. Aber es kommt wieder Bewegung in die festgefahrenen Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU). Die Schweiz hatte die Gespräche über ein Rahmenabkommen im Mai 2021 abgebrochen, obwohl sie das Abkommen initiiert hatte. Es sollte institutionelle Handelsfragen zwischen der EU und der Schweiz klären. Die EU sieht nunmehr das als Voraussetzung für die Fortführung der bilateralen Beziehungen in ihrer jetzigen Form, die mit dem Freihandelsabkommen 1972 ihren Anfang genommen haben. In diesem Kontext wurden die umfangreichen Bilateralen Abkommen 1 und 2 in den Jahren 2002 und 2005 ausgehandelt. Damit wurde der rechtliche Rahmen unter anderem für die (Personen-)Freizügigkeit eingeführt und die Schweiz in den Schengen-Raum aufgenommen. Nicht enthalten in den Abkommen ist allerdings der Handel von Dienstleistungen, der in den letzten 20 Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Die Verhandlungen über ein umfassendes Rahmenabkommen mündeten 2018 zwar in einen ausgehandelten Vertrag, der jedoch nicht von der Schweizer Regierung unterschrieben wurde, als klar wurde, dass es nicht die erforderliche Unterstützung in der Bevölkerung finden würde. Als die Schweiz nachverhandeln wollte und die EU das verweigerte, wurden die Gespräche 2021 abgebrochen.

Die Konsequenzen dieser Schritte sind merklich. Seit dem Abbruch der Gespräche wurden die bestehenden Verträge vom Anfang der 2000er-Jahre nicht mehr aktualisiert. So werden im Bereich der Medizintechnik Konformitätsbewertungen nicht mehr gegenseitig anerkannt. Die Schweiz konnte nicht wie geplant in den europäischen Strommarkt integriert werden, und sowohl die EU als auch die Schweiz haben den Handel von Aktien der jeweiligen anderen Volkswirtschaft an den eigenen Börsen verboten. Zudem gilt die Schweiz nun als nicht assoziiertes Drittland und kann nur noch eingeschränkt am EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, «Horizon Europe», teilnehmen.

Im März 2023 hatte die Regierung das Erstellen der Eckpunkte für ein neues Verhandlungsmandat mit der EU in Auftrag gegeben. Dabei sieht es im Sommer 2023 so aus, als ob die Schweiz ein weiteres bilaterales Abkommen aushandeln möchte. Hierbei sollen die Bereiche Strom und Lebensmittelsicherheit eingeschlossen werden. Auch die Kooperation im Gesundheitsbereich und die Wiedereingliederung in «Horizon Europe» sollen in diesem Abkommen enthalten sein. Bei «einem insgesamt zufriedenstellenden Ergebnis» würde sich die Schweiz entsprechend mit einem Anteil am EU-Budget beteiligen. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Maroš Šefčovič, hatte im Frühjahr angemerkt, auch er möchte bis zum Sommer 2024 eine Einigung über institutionelle Fragen erzielen. Er wird jedoch wohl auf ein Gesamtabkommen anstatt eines weiteren bilateralen Abkommens pochen. Im Jahr 2021 war die EU mit einem Anteil von 58 Prozent am gesamten Handelsvolumen der wichtigste Handelspartner der Schweiz, vor den USA (13 Prozent) und China (7 Prozent).

Seit dem Verhandlungsabbruch habe sich die Stimmung verändert. In einer Umfrage vom März lehne die Bevölkerung zwar ein Referendum über einen EU-Beitritt ab, doch erhalte jetzt der Beitritt zum EWR 60 Prozent Zustimmung. Eine mögliche Alternative dazu, das der EU mehr entgegenkäme, könnte ein Freihandelsabkommen ähnlich dem CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada sein. Es würde zusätzlich zu den Bilateralen Abkommen 1 und 2 eingeführt und diese modernisieren.