Into the States
Die Kemaro AG mit Sitz in Eschlikon TG produziert und vertreibt den weltweit ersten Trockenreinigungsroboter für Logistik und Industrie. Nach der erfolgreichen Expansion in den europäischen Raum und nach Japan steht im kommenden Jahr der Markteintritt in die Vereinigten Staaten von Amerika bevor.
«Yes we can» war vor 15 Jahren der Motivationsslogan des amerikanischen Präsidenten Barack Obama. Man kann es so verstehen, dass diese Devise mittlerweile das Erkennungszeichen einer gesamten Nation ist. Er steht für den Geschäftssinn der Amerikaner, Neues anzupacken, die Netzwerkkultur zu leben, sich Unmöglichem zu stellen und mit Pragmatismus und Optimismus erfolgreich zu sein. Heute stehen die Staaten im weltweiten Exportmarkt auf Rang zwei, im Importmarkt an erster Stelle. Gerade Firmen, die aus Westeuropa kommen, sind auf dem nordamerikanischen Kontinent gern gesehen, weil Qualität und Zuverlässigkeit für den Amerikaner undiskutierbare Geschäftsmentalitäten sind.
Kemaro goes USA
Eine Expansion bietet sich auch der im Jahr 2016 gegründeten Kemaro AG an. Das Thurgauer Unternehmen hat im Jahr 2020 den selbst entwickelten Reinigungsroboter K900 auf den Markt gebracht. Dieser ist in mittlerweile 20 Staaten auf dem europäischen Kontinent im Einsatz. Im vergangenen Jahr wurde der japanische Vertriebspartner Plibot ins Boot geholt. Nun folgt der strategisch bedeutende Schritt in die Staaten. Jacques Couniot, Chief Revenue Officer der Kemaro AG, legt bei den US-Expansionsplänen ein erstes Augenmerk auf die Vorbereitung: «Es lohnt sich, die Marktstruktur und die Erwartungen der Kunden an unsere Reinigungslösung genauer zu betrachten.» Die amerikanische und die europäische Geschäftskultur würden sich stärker unterscheiden als zunächst gedacht. Wer in den USA Erfolg haben will, sollte zielgerichtet ohne grosses Brimborium vorgehen, pragmatisch verhandeln und Humor haben. Das dominierende Motto ist: First things first. Mit ausschweifenden Erklärungen, die nicht zum Punkt kommen, würden Amerikaner nichts anfangen können. Jacques Couniot weiss, wovon er spricht. Seit zwei Jahrzehnten ist er als globaler Verkaufsleiter für unterschiedliche Firmen tätig, zuletzt bei einem Anbieter von professionellen Reinigungsgeräten. Schon früh diskutierte man im Kemaro-Team, ob man die Expansion in die Vereinigten Staaten überhaupt will. «Ja, der Markteintritt ist ein finanzielles Risiko, aber auch eine grosse Chance für Wachstum», sagt Jacques Couniot. Geschuldet sei diese hauptsächlich der schieren Marktgrösse. «Wir packen es strategisch so an, dass wir uns vorerst auf einzelne Regionen mit spannenden Industrien konzentrieren und entsprechend nach potenziellen Vertriebspartnern suchen.» Einen einzigen strategischen Partner für ein Land von 340 Millionen Einwohnern zu finden, sei herausfordernd.
«Qualify the customers and partners»
Die Fachkräfteproblematik wiegt auch in den USA schwer, die Arbeitslosenquote ist so tief wie letztmals vor 50 Jahren. Mehr als zehn Millionen Jobs sind in der amerikanischen Wirtschaft unbesetzt. Und das bereitet Jacques Couniot Bauchschmerzen. Die Erfahrung zeige, dass der erfolgreiche Einsatz von Robotern eine gute Vorbereitung und qualifizierte Fachkräfte erfordere. Er unterstreicht: «Bereits bei meinen früheren Tätigkeiten war es die grösste Herausforderung, Kunden zu schulen und sie auf die Reise mitzunehmen.» Er spricht das Train-the-Trainer-Prinzip an – bei Management- und Vertriebspersonal. «Amerikaner und Kanadier sind offen für neue Technologien, mit denen sich wiederholende und schwierige Aufgaben automatisieren lassen, sodass Mitarbeiter auf qualifizierteren Posten eingesetzt werden können.» Anders als in Europa oder Asien liege der Schwerpunkt jedoch oft auf dem schnellen Erfolg. «Strategische Allianzen werden immer unter dem Gesichtspunkt einer möglichst schnellen Rendite gesehen.» Die Folge: Der Erwartungsdruck der Amerikaner sei hoch und der Erfüllungszeitraum kurz. Bei einem Markteintritt müsse man sich dessen bewusst sein.
Kann das Geschäftsmodell kopiert werden?
Trotzdem: Langfristig soll die Kemaro AG ein eigenes Unternehmen in den USA gründen. Erfolgreich zu sein und den Markt für autonome Kehrmaschinen vom Ausland aus voranzutreiben, sei eine Herausforderung, so Jacques Couniot. «Die formelle Gründung der Firma in den USA ist einfach, die nebenbei entstehenden Fragen sind umso heikler.» Wie verhält es sich mit dem geistigen Eigentum und den Patenten? Oder dem Schutz gegen Arbeitnehmerklagen? Den Vertragsmodalitäten? «A deal is a deal», so Jacques Couniot. In den USA müssen die rechtlichen Risiken in hohem Masse berücksichtigt werden, und es müssen geeignete Partner gefunden werden. Vieles, was in der Schweiz ohne weitere Umstände als selbstverständlich gilt, muss in Amerika schriftlich festgehalten werden. Das erfordere Zeit und gute Partner. Im Übrigen könne das Geschäftsmodell nicht eins zu eins in die Staaten kopiert werden. Die Grösse der Lagerhäuser beziehungsweise der Logistikbauten übersteigt in vielen Fällen jene von Schweizer oder europäischen Standards. Wie sich der K900 in solchen Dimensionen orientiere, sei man heute am Testen. So geht es vorerst darum, die «Low Hanging Fruits» zu finden: vergleichbare Objekte, in denen der K900 im europäischen Markt bestens funktioniert.
Fazit
Der weitreichende Prozess der US-Expansion hat in diesen Monaten bei der Kemaro AG mit der Marktanalyse begonnen. Jacques Couniot ist überzeugt: «Wir sind dann erfolgreich, wenn wir es schaffen, eine erste Partnerfirma in den USA aufzubauen, deren Mitarbeitende vom Produkt, Verkauf und Service alles verstehen.» Mut gäben die sehr vielen positiven Erfahrungen und Rückmeldungen aus dem europäischen und japanischen Markt.