Ausblick für Schweizer Exportwirtschaft eingetrübt

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Schweiz ist im 2. Quartal 2022 gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent gestiegen. Damit hat sich die Wachstumsdynamik zwar im Vergleich zum Vorquartal verlangsamt, die Erholung dauert aber trotz des Kriegs in der Ukraine und stark gestiegener Energiepreise an.

Die Schweiz ist in der aktuelle Energiekrise zwar weniger anfällig als die europäischen Nachbarn, denn Erdgas wird hierzulande nicht für die Stromerzeugung verwendet; auch für Beheizung und Industrieprozesse ist es weniger wichtig. Trotzdem ist sie aber nicht gefeit vor Preisanstiegen und Rationierungen von Energieträgern. Zweitrundeneffekte über die Lieferketten würden besonders die heimische Chemie- und Pharmabranche sowie die MEM- Industrie belasten.

Bislang verzeichnet die Schweiz jedoch gemäss dem hiesigen Einkaufsmanagerindex eine stabile Industrieaktivität. Die Lieferkettensituation scheint sich allmählich zu entspannen. Doch der Ausblick hat sich deutlich eingetrübt. Bereits in den nächsten Monaten dürfte die Schweizer Exportindustrie die erwartete Rezession im Euroraum zu spüren bekommen. Einkaufsmanagerindizes deuten zudem darauf hin, dass sich die Industriestimmung auch auf globaler Ebene verschlechtert.

Mit dem aktuellen EUR / CHF-Wechselkurs scheint die Schweizer Exportindustrie allerdings vergeichsweise gut umgehen zu können, dies dank der hierzulande deutlich tieferen Inflation. Inflationsbereinigt hat der EUR / CHF-Wechselkurs noch kein extremes Niveau erreicht.

So verzeichnete die MEM-Industrie im 2. Quartal 2022 erneut eine Zunahme der Exporte. Die Eintrübung der globalen Industrie­stimmung und eine erwartete Rezession im Euroraum dämpfen jedoch die Wachstumsaussichten im weiteren Jahresverlauf. Stützend wirken könnten hingegen die Exporte nach China, da die Aufhebung der dortigen Corona-Lockdowns die Nachfrage wieder ankurbelt. Unsicherheiten bezüglich der Nulltoleranzpolitik Pekings gegenüber Covid-19 bestehen aber nach wie vor.

Die Schweizer Uhrenexporte verzeichnen weiterhin steigende Umsätze. Das jüngste Wachstum ist auf zunehmende Ausfuhren in die USA und nach Europa zurückzuführen. Im Gegensatz dazu waren die Exporte nach China und Hongkong erneut rückläufig. Die Aufhebung der Covid-19-Lockdowns in China und die damit verbundene Aufhellung der Konsumentenstimmung könnten jedoch einen gewissen Nachholkonsum anstossen. Im Gegensatz dazu könnte eine Eintrübung der Konsumentenstimmung insbesondere in den USA das Wachstum bremsen.

Die Exporte der Pharmaindustrie waren im 2. Quartal 2022 gegenüber dem Vorjahresquartal leicht rückläufig. Sie liegen jedoch nach wie vor über ihrem Vorpandemieniveau. Aufgrund der Normalisierung nach den Pandemie-Sondereffekten gingen die Ausfuhren nach Deutschland, Italien und insbesondere Spanien zurück. In den nächsten Monaten dürften sich die Pharmaexporte auf ihrem hohen Niveau halten, da sie eine vergleichsweise geringe Abhängigkeit von Wechselkurs- und Konjunkturschwankungen aufweisen.

Basierend auf den genannten Risiken für die Schweizer Wirtschaft, erwarten wir im kommenden Jahr eine Wachstumsverlangsamung, eine Rezession dürfte jedoch vermieden werden können. Für 2023 rechnen wir mit einem BIP-Wachstum von 1 Prozent, solange eine Energiemangellage abgewendet werden kann. 

Kaufkraftbereinigt ist der CHF zum EUR nicht rekordstark 
EUR/CHF-Wechselkurs real und nominal
Quelle: Refinitiv Datastream, Credit Suisse
Exporte nach China nahmen jüngst wieder zu
Uhrenexporte in CHF Mio., nach Ländern, saisonbereinigt
Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse