ASEAN und RCEP – die boomende Globalisierung
Auf dem grössten Umschlagplatz der Welt ist die Hölle los. Nicht weniger als 1000 Schiffe befinden sich zu jeder Tages- und Nachtzeit in den vier Hafenterminals der südostasiatischen Insel, die gerade zusammengelegt werden. Ist der Megaport wie geplant 2040 fertig, dürfte es noch viel mehr Stau geben. 65 Millionen TEU soll dann Singapurs neuer Tuas-Hafen einmal abfertigen können, wie die Einheit für einen 20 Fuss langen Container heisst, der 22 Tonnen Fracht aufnehmen kann. Das ist ungefähr die doppelte Menge als derzeit und weit mehr, als der weltgrösste Hafen Schanghai zurzeit umschlägt.
Waren in der Vergangenheit die Container, die von Asien nach Europa verschifft wurden, mit Konsumgütern gefüllt, kehrten sie anschliessend fast leer nach Asien zurück. Nun wird der innerasiatische Handel immer wichtiger.
Kein Zweifel – der Schwerpunkt der Weltwirtschaft verschiebt sich allmählich nach Osten. Heute ist es deutlich über ein Drittel. Bis 2040 soll der Anteil gemäss den Schätzungen des Internationalen Währungsfonds auf über 40 Prozent steigen. 2050 wird dann mehr als die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung in Asien erbracht.
Schon heute kaufen die Mittelschichten in Ländern wie der Milliardennation Indien, in Indonesien, das 280 Millionen Menschen zählt, und Vietnam, dessen Volkswirtschaft derzeit mit 5 Prozent wächst, die auf dem Kontinent produzierten Waren immer öfter selbst. Der Immobilieninvestor CBRE schätzt, dass zwischen 2021 und 2026 rund 90 Prozent des Wachstums im weltweiten Onlinehandel aus Asien stammen, was bis zu 130 Millionen Quadratmeter mehr Lagerfläche erfordert.
Sinnbildlich dafür steht das neue Freihandelsabkommen Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP), das 15 asiatische Länder von Japan über China bis nach Neuseeland vereint. China ist nicht nur die führende Wirtschaftsmacht in der Region, sondern auch eine politische Kraft.
Die im November 2020 unterzeichnete regionale umfassende Wirtschaftspartnerschaft (RCEP) trat im Januar 2022 in Kraft. Die RCEP, an der die zehn ASEAN-Staaten und fünf der asiatisch-pazifischen Partner der EU beteiligt sind, ist das weltweit grösste Freihandelsabkommen und deckt weltweit mehr als die Hälfte der Ausfuhren und fast ein Drittel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) ab.
Durch die RCEP werden die meisten Wirtschaftszweige abgedeckt, wobei etwa 90 Prozent der Waren voraussichtlich zollfrei gehandelt werden. Die meisten dieser Waren unterliegen bereits diesem Vorteil im Rahmen der bestehenden Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten.
Die Ursprungsregeln sind strategisch bedeutsam und in der RCEP oft viel flexibler als bei anderen Abkommen der Region. Das hilft Unternehmen, grenzüberschreitende Lieferketten in der Region zu entwickeln. Ansässige, aber auch deutsche Unternehmen können Rohstoffe aus einem RCEP-Teilnehmerland und Teile aus einem anderen Land verwenden, sie in einem anderen Land zusammenbauen und dann nach China oder in andere RCEP-Länder exportieren.Bis noch ausstehende Zollsenkungen in Kraft treten, könnte es bis zu 20 Jahre dauern, wovon sensible Sektoren wie die Landwirtschaft grösstenteils ausgenommen sind. Die RCEP-Mitglieder sollten von gemeinsamen Ursprungsregeln, der Abschaffung von Ausfuhrkontingenten, vereinfachten Zollverfahren und einem leichteren grenzüberschreitenden Zugang zu Handelszonen profitieren. Rohstoffe, Maschinen, Kraftfahrzeuge und Konsumgüter sind Wachstumsbereiche.