Mut zur Selbstständigkeit: Neugründungen im Jahr 2022

Der Weg in die Selbstständigkeit erfordert Mut und ist für viele eine Aufgabe, die sie nur einmal in ihrem Leben angehen. Denn damit sind häufig lange Arbeitszeiten und Fehlschläge verbunden, die es zu überwinden gilt. Eine eigene Firma zu gründen, ist zudem komplex und basiert in der Regel auf einer innovativen Geschäftsidee oder dem Gedanken, etwas Bestehendes besser zu machen.

Das derzeit unsichere Umfeld, der Krieg zwischen Russland und der Ukraine und die damit einhergehenden Sanktionen sowie die steigenden Energiekosten stellen weitere Herausforderungen für Neugründer*innen dar. Trotzdem wagten es im Gesamtjahr 2022 49 964 Unternehmer*innen in der Schweiz, eine eigene Firma zu gründen. Das ist zwar ein Prozent weniger als im Vergleich zum Rekordjahr 2021, als 50 535 Firmengründungen registriert wurden. Es ist aber auch der zweithöchste Wert seit 2019. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie von Dun & Bradstreet, in der die Zahl der Neugründungen in der D-A-CH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) detailliert beleuchtet wird.

«Dass es zu einem neuen Firmengründungsrekord in der Schweiz nicht ganz gereicht hat, dürfte auf die zahlreichen Unsicherheitsfaktoren zurückzuführen sein, mit denen sich potenzielle Firmengründer*innen im vergangenen Jahr konfrontiert sahen», sagt Dirk Radetzki, Chief Regional Officer Central Europe bei Dun & Bradstreet. Die höhere Inflation, die Energiekrise, der Ukrainekrieg, gestörte Lieferketten sowie die eingetrübten Konjunkturperspektiven – all das stelle kein optimales Umfeld für Start-ups dar. «Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert», so Radetzki, «dass sich die Zahl der Geschäftseröffnungen auf einem so hohen Niveau gehalten hat.» Die Schweizer*innen hätten einmal mehr einen aus­geprägten Gründergeist bewiesen.

Neugründungen nach Kantonen

Betrachtet man die einzelnen Kantone, entfielen die meisten Neugründungen auf Zürich (9067), Waadt (4847) und Genf (4109). In Zürich und Waadt legten die Neugründungen entgegen dem leicht negativen Landestrend um zwei Prozent beziehungsweise ein Prozent zu. In Genf wurde etwa das Vorjahresniveau erreicht. Auf der Minusseite sticht besonders Bern ins Auge. Hier hat sich die Zahl der Start-ups um acht Prozent auf 4063 verringert. Nur Uri weist unter den Kantonen mit einem Minus von zwölf Prozent einen noch stärkeren Rückgang bei den Unternehmensgründungen auf.

Die Betrachtung der Neugründungen im Verhältnis zur Wohnbevölkerung zeigt, dass Zug nach wie vor das Unternehmensparadies der Schweiz ist. 2022 gründete jeder 43. Einwohner eine neue Firma. Ganz anders sieht das im gründungsschwächsten Kanton Uri aus. Hier kamen auf jede Gründung 295 Einwohner*innen.

Mehr Gesundheitsdienste, weniger neue Grosshandelsfirmen

Was die Branchen betrifft, zeigt sich eine zum Teil sehr gegenläufige Entwicklung. Während es in den Bereichen Gesundheitsdienste (plus zwölf Prozent), Landverkehr und Logistik (plus zwölf Prozent) und persönliche Dienstleistungen (plus zehn Prozent) zu jeweils prozentual zweistelligen Zuwächsen bei den Neugründungen kam, waren die Firmengründungen im Grosshandelsgewerbe mit einem Minus von 16 Prozent stark rückläufig.

Wie bereits im Vorjahr entfielen die meisten Unternehmensgründungen auf die beiden Sektoren Unternehmens- und Steuerberatung (4829) sowie diverse Unternehmensleistungen (4799). Das unterstreicht die Bedeutung der Schweiz als beliebten Dienstleistungs­standort. Allerdings haben die Gründungsaktivitäten in beiden Segmenten im vergangenen Jahr etwas abgenommen, um vier Prozent im Bereich Unternehmens- und Steuerberatung und um zwei Prozent bei den diversen Unternehmensdienstleistungen.

Ein Blick über die Grenzen

Die Neugründungen nahmen im letzten Jahr nicht nur in der Schweiz ab, sondern auch in unseren Nachbarländern Deutschland und Österreich. Deutschland verzeichnete mit über zwölf Prozent den deutlichsten Rückgang (111 355 Neugründungen), danach folgte Österreich mit über vier Prozent (22 658 neue protokollierte Unternehmen).

Betrachtet man die einzelnen Regionen, zeigen sich in Deutschland vor allem die östlichen Bundesländer weniger gründerfreundlich, und auch Berlin, als Gründer-Hotspot angesehen, verzeichnet mit nahezu minus 28 Prozent einen deutlichen Dämpfer (8664). Ein detaillierter Blick auf die relevantesten Branchen zeigt in Deutschland, dass ausschliesslich bei den kommerziellen Dienstleistungen ein signifikanter Anstieg der Neugründungen zu verzeichnen ist.

Negativ fallen in Österreich vor allem Oberösterreich (2852) und Vorarlberg (805) mit zweistelligem Rückgang der Neueintragungen auf. Bei der Analyse der Gründerquote 1 der einzelnen Bundesländer zeigt sich, dass in Wien besonders viele Unternehmen gegründet werden. Hier kam es pro 239 Einwohner zu einer Gründung (Quote 0,00418). Das ist das 2,2-Fache der Gründungsrate von Oberösterreich, das am anderen Ende der Skala liegt. Hier liegt die Quote bei 0,00189 beziehungsweise 528 Einwohner pro Gründung.

Auch wenn das vergangene Jahr über nahezu alle Regionen und Branchen hinweg ein Jahr sinkender Neugründungen war, liegen die aktuellen Zahlen immer noch über der Gesamtzahl der neu eingetragenen Unternehmen von 2019. Der Mut zur Gründung einer eigenen Firma und zum Schritt in die Eigenständigkeit scheint ungebrochen.

1 Gründerquote: Anzahl der Gründungen basierend auf der absoluten
Einwohnerzahl des jeweiligen Bundeslands oder Kantons

Abbildung: 1 Schweiz: Gründungsdichte pro Bevölkerung