Keine Chance ohne Risiko: All-in für unsere Visionen

Adrian Steiner, CEO der Thermoplan AG aus Weggis, meint damit nicht irgendeine Floskel. Er bezieht sich auf den grössten Deal in der Geschichte der Firma, die Premium-Kaffeevollautomaten für die Gastronomie herstellt: eine Kooperation mit dem US-amerikanischen Kaffeegiganten Starbucks. Wie kommt eine Firma aus der Zentralschweiz mit 30 Mitarbeitern zum damaligen Zeitpunkt zu einer Kooperation mit einem globalen Brand wie Starbucks?

Wenn Welten aufeinandertreffen

Der erste Kontakt entstand bereits 1998 auf der Igeho in Basel, der wichtigsten internationalen Branchenplattform für Hotellerie, Gastronomie und Take-away in der Schweiz. Eine Delegation der Kaffeehauskette aus Seattle besuchte die Messe auf der Suche nach einer vollautomatischen Kaffeemaschine. Das Team am Thermoplan-Stand bekam unverhofft die Chance, seine Produkte zu zeigen.

Ein Eindruck blieb: Thermoplan ist anders. Die Vollautomaten sind modular aufgebaut: Leicht austauschbare Hydraulik- und Mechanikmodule vereinfachen Wartungen und Reparaturen und verringern Leerlauf auf ein Minimum – für das damals schon stark wachsende Unternehmen Starbucks ein einzigartiges Merkmal. Keine Umsatzeinbrüche im Daily Business, weil sämtliche Maschinen nahezu pausenlos Gäste bedienen können, bedeutete einen echten Mehrwert. Tatsächlich erhielt Thermoplan im März des Folgejahres die Rückfrage, ob ein Interesse bestünde, neben 14 anderen Herstellern an einer Ausschreibung teilzunehmen. Ein Konzept wurde eingereicht und aus allen Teilnehmern drei Hersteller für einen Feldtest ausgewählt. Im Jahr 1999 kam der Deal, und Thermoplan machte das Rennen.

Der nächste Schritt war ein Feldtest, bei dem eine Maschine in einer Starbucks-Filiale in Vancouver auf Herz und Nieren geprüft wurde. Sie musste insbesondere viele kleine Espressoprodukte und Getränke mit viel Milch produzieren und dem hohen Volumen in einem Starbucks einer lebendigen Grossstadt standhalten. Am Ende der Testphase war Starbucks von der Modularität und der Flexibilität der Firma beeindruckt.

All-in trotz Risiko

An diesem Punkt wurde klar: keine Chance ohne Risiko. Nach sechs Monaten Vertragsverhandlungen schien es, als wäre es so weit. «Wir hatten damals 30 Mitarbeitende bei Thermoplan und verhandelten mit Starbucks mit 30 000 Mitarbeitenden. Sie hatten eigene Rechtsanwälte, wir keinen», erzählt Steiner über die damalige Situation. Auch Firmengründer Domenic Steiner zeigte damals, dass sich Mut und Verantwortungsbewusstsein keinesfalls ausschliessen: «Wir müssen Risiken eingehen, aber sie dürfen nicht existenziell sein.»

Schliesslich reisten zwei Personen von Starbucks von Seattle nach Weggis. Es entstand das Gefühl, man sei sich einig. Zur Feier des Anlasses lud die Thermoplan-Geschäftsleitung zu einem echten Rigi-Erlebnis: Apéro und Umtrunk, mit der Gondel nach Rigi-Kaltbad und dort zum Nachtessen. Auf dem Weg bekamen die Gäste einen Anruf und verschwanden für eine halbe Stunde. Nach ihrer Rückkehr verkündeten sie, die Vertragsverhandlungen seien gescheitert. Man könne auf die Forderungen vonseiten Thermoplan nicht eingehen, zu hohes Risiko.

Aus Asche wird eine Chance

Nach zwei Jahren Arbeit schien sich die Vorstellung von einer Zusammenarbeit zwischen Starbucks und Thermoplan in Luft aufzulösen. Einen Gang zur Bar, zahlreiche Getränke und aufgestauter Frust später fanden sich die Thermoplaner zu später Stunde im Hotel wieder und zündeten die Papiere des gescheiterten Vertrags in einem alkoholisierten Anflug von Trotz an. Um noch einen draufzusetzen, wurden die verkohlten Überreste in ein Kuvert gesteckt und per Post nach Seattle zum Starbucks-Hauptsitz geschickt.

Doch anstatt die Firma auf die Blacklist zu setzen, kontaktierte Starbucks Thermoplan eine Woche später und lud nach Seattle ein. Die nächste Überraschung wartete: Anstelle des bereits bekannten Projektteams sassen Howard Schultz und der damalige COO Arthur Rubinfeld am Tisch. Howard Schultz war bis 2018 Chairman des Board of Directors bei Starbucks. Mit grimmigen Mienen verlangte man – nachvollziehbar – den Grund für das Verbrennen des Vertrags zu wissen. Das Team um Adrian Steiner erklärte die Situation betreffend der Vertragspapiere und darüber hinaus, dass eine Kooperation existenziell für Thermoplan sein könne, eine super Chance wäre, die Unternehmenskulturen gut zueinanderpassten. In einer Partnerschaft wäre man gemeinsam erfolgreich.

Das Unwahrscheinlichste trat ein: «We like the word partner.» Und tatsächlich wurden Lösungen gefunden, Kompromisse geschlossen und Vorfinanzierungen für den Einkauf von Komponenten freigegeben. Das Ergebnis: über 63 500 installierte Maschinen weltweit.

«Let this small symbol be a reminder that persistence and friendship create opportunity»

Eine Partnerschaft, die bis heute besteht. Das bezeugt auch ein gerahmtes Stück verkohltes Papier: ein Schnipsel des alten Vertrags, der im Kuvert von Weggis nach Seattle geschickt wurde und letztlich seinen Weg wieder zurück an den Vierwaldstättersee zu Thermoplan fand. Eingerahmt von Starbucks als Symbol für die starke Partnerschaft der beiden Firmen, die aus Hartnäckigkeit und Freundschaft entstand. «Uns ist vollkommen bewusst, dass es morgen vorbei sein kann und Starbucks sich für einen anderen Hersteller entscheidet. Doch das Vertrauen ist riesengross», beschreibt Adrian Steiner das Geschäftsverhältnis, das mittlerweile seit mehr als 20 Jahren besteht, «die Zusammenarbeit mit Starbucks hat uns die Tür zu globalen Märkten geöffnet. Nun freuen wir uns auf die nächsten 20!»