«Nachhaltigkeit ist eine Chance, kein Störfaktor»
Das Schlagwort unserer Zeit ist für manche schon fast ein Unwort. Warum sich die Auseinandersetzung trotzdem lohnt, erzählt Filippo Angiolini, CEO der REPI-Gruppe, im Interview mit dem Beratungsunternehmen BHP – Brugger und Partner. Und er gibt konkrete Ratschläge, wie auch KMU den ersten Schritt wagen können.
BHP: REPI ist ein hochspezialisiertes Unternehmenin der Chemie- und Kunststoffbranche. Kann Ihr Unternehmen überhaupt nachhaltig sein?
Filippo Angiolini: Ja, und in vieler Hinsicht sind wir gut unterwegs. In unserem Unternehmen denken wir sehr langfristig. Nachhaltigkeit ist für uns mehr als Ökologie – doch gerade dort ist unser Sektor hochinnovativ. Es geht ständig darum, unseren Partner*innen und Kundinnen und Kunden dabei zu helfen, die Leistungsfähigkeit von Plastikflaschen zu verbessern oder die Rezyklierbarkeit von Kunststoffen in unterschiedlichsten Anwendungsbereichen zu erhöhen. Leider muss die Branche oft als Sündenbock herhalten. Dabei investieren die Unternehmen sehr viel, um umweltfreundlichere Produkte zu entwickeln und ressourceneffizienter zu produzieren.
Haben Sie deshalb entschieden, sich vertiefter mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen?
Interessanterweise nicht. Unsere Kundinnen und Kunden sind exponiert, als Familienunternehmen im B2B-Umfeld agiert REPI im Hintergrund. Für uns ging es darum, intern mehr Klarheit zu schaffen. Wir hatten immer das Gefühl, schon einiges zu tun, haben dies jedoch nie aufgearbeitet und überprüft.
Und wie ist REPI konkret vorgegangen, um das grosse Thema greifbar zu machen?
Nachhaltigkeit ist vielfältig. Es ist wichtig, die Teilaspekte klar zu benennen – sonst dreht man sich im Kreis. Wir haben zwölf Themen definiert wie zum Beispiel «Ressourceneffizienz und Abfall», «Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz» oder «Geschäftsintegrität». Diese haben wir anschliessend bewertet und priorisiert: Wie wichtig ist das Thema für uns, für unsere Stakeholder, und wie stark wirkt es sich auf Umwelt und Gesellschaft aus. Das brachte Struktur in die Sache und schärfte das gemeinsame Verständnis. Dabei haben wir uns vor allem von den GRI-Standards und den SDGs inspirieren lassen (vgl. Hilfreiche Quellen und Anlaufstellen am Ende des Interviews).
Dieses gemeinsame Verständnis hatte bis dahin gefehlt?
Ja und nein. Alle Themen waren bereits irgendwo im Unternehmen und in Interaktionen mit Kundinnen und Kunden, Lieferant*innen oder Mitarbeiter*innen angesiedelt. Für mich ist es Teil meines täglichen Tuns. Dabei vergesse ich manchmal, dass das nicht für alle in der Organisation gilt. Ausserdem sprechen wir selten so explizit und ganzheitlich über die Werte, die Daseinsberechtigungund den ultimativen Zweck unseres Unternehmens.
Und haben Sie auch konkrete Massnahmen getroffen?
Zuerst haben wir zusammengetragen, was wir in den einzelnen Themen schon tun, danach unsere Ambitionen festgelegt und einen Aktionsplan beschlossen, der immer weitergehen wird. Aktuell überarbeiten wir beispielsweise den Ethikkodex und bauen einen Whistleblowing-Prozess auf. Dann wollen wir unsere Lieferketten und Beschaffungsprozesse weiter absichern und verbessern. Vielleicht bedeutet das mehr Regionalität. Überdies wollen wir noch mehr dafür tun, dass die Mitarbeiter*innen an allen Standorten die gleichen Werte mittragen und leben. Und natürlich tragen wir bestmöglich zum Umweltschutz bei, indem wir zum Beispiel Ökostrom einkaufen oder PV-Anlagen installieren.
Welche Chancen sehen Sie in dem Ganzen für REPI?
Ich bin überzeugt, dass die verschiedenen Aspekte der Nachhaltigkeit nicht nur eine Notwendigkeit, sondern immer wichtigere Erfolgsfaktoren sind. REPI will auch in den nächsten fünfzig Jahren führend sein. Ohne Nachhaltigkeit wird uns das nicht gelingen. Für unsere Mitarbeiter*innen ist Nachhaltigkeit sinnstiftend; und im Kerngeschäft und in der Zusammenarbeit mit unseren Partner*innen ein Innovationstreiber. Sie ist eine Chance, kein Störfaktor.
Viele kleinere Unternehmen wissen nicht, was sie mit Nachhaltigkeit anfangen sollen und wie sie das Thema angehen können. Was würden Sie ihnen raten?
Jede*r kann und sollte sich dem Thema annehmen. Es ist wichtig, aufgeschlossen zu sein und nicht zu denken, Nachhaltigkeit wäre nur etwas für die Grossen. Als Unternehmer*in startet man dort, wo man am besten ist: Schaut eure Firma an und überlegt, womit ihr in zehn Jahren nicht mehr erfolgreich sein werdet, wenn ihr im gleichen Stil weitermacht. Es geht darum, proaktiv zu sein. Weiter hilft es extrem, wenn man sich mit anderen austauscht (vgl. Hilfreiche Quellen und Anlaufstellen am Ende des Interviews). Mein Tipp wäre, Nachhaltigkeit beim nächsten Gespräch mit Kundinnen und Kunden, Lieferant*innen, Mitarbeiter*innen, Branchenpartner*innen und allen anderen Stakeholdern anzusprechen. Das regt an und kann in der Informationsflut Orientierung geben.
Über die REPI-Gruppe: Die REPI-Gruppe wurde 1973 von Dr. Ferruccio Angiolini in Italien gegründet und ist heute Teil der Swiss-FERLINE-Gruppe. Mit viel Hingabe, Experimentierfreude und Pioniergeist entwickelt und produziert das Unternehmen flüssige Farben und Performance-Additive für Kunststoffe und Polyurethane. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 200 Mitarbeiter*innen. In der Schweiz ist REPI in Lugano beheimatet und wird seit 2018 von Filippo Angiolini geführt.
Über BHP: BHP – Brugger und Partner (BHP) berät seit mehr als dreissig Jahren Organisationen bei der Verankerung von Nachhaltigkeit und begleitet die REPI-Gruppe als externer Sparringpartner. BHP ist Mitglied des Beirats von swiss export.
Hilfreiche Quellen und Anlaufstellen:
Verbände wie z. B.
• Öbu – Verband für nachhaltiges Wirtschaften
• Viele Branchenverbände nehmen das Thema Nachhaltigkeit auf, koordinieren Arbeitsgruppen und stellen Ressourcen
zur Verfügung
Rahmenwerke und Richtlinien
• Sustainable Development Goals (SDGs) und Swiss Triple Impact Programm
• UN Global Compact und das dazugehörige Netzwerk in der Schweiz