Marktpotenziale in Deutschland ausschöpfen

Auch im Corona-Jahr 2020 blieb Deutschland der wichtigste Handelspartner der Schweiz mit einem Handelsvolumen von 89,8 Mrd. CHF. Corona-bedingt musste jedoch ein Rückgang in Höhe von 8,3 Prozent hingenommen werden. Dies war sehr schmerzhaft und für manche Branchen sogar existenzbedrohend. Inzwischen zeigen sich jedoch erfreuliche Aufholeffekte und die Schweizer Exporte von Januar bis Juli 2021 zeigen ein Plus von 8,5 Prozent, die Importe aus Deutschland ein Plus von 10,5 Prozent.

Diese Ergebnisse sind das Resultat eines langjährigen grenzüberschreitenden Beziehungsnetzes zwischen Herstellern und Kunden.

Ähnliche Geschäftsgepflogenheiten erleichtern nun einmal die Geschäfte und die in der Pandemie teilweise einsetzende Rückbesinnung auf nahe Märkte, nicht zuletzt wegen anhaltender Lieferkettenprobleme, verleihen dem Wirtschaftsaustausch neuerlichen Schub.

Keine Sprachbarrieren, ähnliche Zahlungsmodalitäten und -sicherheit, die Zuverlässigkeit in punkto Qualität und Pünktlichkeit entsprechen den gewohnten geschäftlichen Umfeldbedingungen und erleichtern die Zusammenarbeit.

17,9 Prozent des weltweiten Schweizer Exports (40 Mrd. CHF) fliessen nach Deutschland. Dabei erweist sich Deutschland als stabiler Abnehmer vieler einschlägiger Exportprodukte wie zum Beispiel aus dem Maschinen- und Anlagenbau, der Elektrotechnik und der Metallindustrie, aus dem Automotivbereich sowie Chemie- und Pharmaindustrie. Hinzu kommt ein bedeutender unternehmensnaher Dienstleistungsexport der Schweiz in einer Grössenordnung von jährlich 12 Mrd. CHF.

Doch der grosse Markt «vor der Haustüre» hat für so manchen Schweizer Exporteur auch seine Tücken. Der Wettbewerb ist intensiv. Deshalb muss die Marktbearbeitung gut überlegt sein. Der deutsche Markt ist ungefähr zehn Mal grösser als der Schweizer und liegt in den meisten Branchen preislich deutlich unter dem Schweizer Preisniveau. Deutsche Unternehmen rechnen meist in sehr grossen Stückzahlen. Einerseits weist die deutsche Wirtschaft eine ähnlich hohe Exportquote von über 50 Prozent wie die Schweizer Wirtschaft aus, sie kann andererseits aber schon mit dem eigenen Binnenmarkt vorteilhafte Skaleneffekte nutzen. Deshalb positionieren sich Schweizer Exporteure eher geschickt in bestimmten wertschöpfungsintensiven und hochtechnologischen Marktsegmenten, als den Preiswettbewerb im Niedrigsektor aufzunehmen.

Zudem stellt die Wahl des richtigen Absatzweges die hiesigen Firmen immer wieder vor grosse Herausforderungen. Soll der deutsche Markt zum Beispiel im direkten Export, mit Hilfe von Vertriebspartnern oder auf dem Wege der Gründung eigener Niederlassungen bearbeitet werden? Eine pauschale Antwort darauf gibt es nicht. Die Frage muss je nach Firma und momentaner Marktposition individuell beantwortet werden. Hinzu kommen branchenspezifische Erschwernisse, nämlich dort, wo nach EU-Bestimmungen ein rechtlicher Vertreter in der Europäischen Union erforderlich ist. Geeignete Vertriebspartner sind nicht immer einfach zu finden. Ein längerer Suchprozess ist einzukalkulieren. Angesichts sehr hoher Anfangsinvestitionen bei der Gründung einer eigenen Tochtergesellschaft bleibt letztlich für viele KMUs nur der direkte Absatzweg zum Kunden. In der Zulieferwirtschaft und auch in der Konsumgüterbranche, in der die Geschäftsanbahnung häufig über Online-Plattformen oder zentrale Listung begleitet wird, mag sich der direkte Weg anbieten. Wo jedoch die Besuchshäufigkeit zum Kunden, Mentalitätsfragen im Geschäftsumfeld, beim Management und den Mitarbeitenden eine Rolle spielt, ist der Einsatz von heimischem Vertriebspersonal und/oder Vertriebspartnern nicht wegzudenken. Geduld, Ausdauer und eine gute Marktkenntnis sowie eine seriöse Beratung sind bei der Wahl und Ausgestaltung der Absatzwege unabdinglich. Für viele Schweizer Unternehmen kann der deutsche Markt auch in Zukunft weitere Potenziale bieten, da diese oft nicht ausgeschöpft sind. Gerade für kleine und mittelständische Firmen kann es lohnender sein, sich mit der Exportintensivierung auf dem deutschen Markt zu beschäftigen anstatt mit der Erschliessung eines gänzlich weiteren Exportlandes. Als Beispiel mag gelten, dass viele Betriebe ihre Aktivitäten vor allem auf den süddeutschen Raum konzentrieren. Dabei könnten auch in Norddeutschland noch Marktanteile dazugewonnen werden.