
USA: Flexible Antworten auf harte Handelsgrenzen
Den 2. April 2025 werden viele Unternehmer*innen nicht so schnell vergessen. An diesem Tag erklärte Donald Trump den sogenannten Liberation Day – und mit ihm begann ein neuer Handelskonflikt zwischen den USA und der Schweiz. Über Nacht sorgten die angekündigten Zölle für Unsicherheit und erschwerten den Handel. Seit dem 1. August wissen wir: Der Liberation Day war kein Bluff.
Ich erinnere mich gut an eine Analyse der NZZ kurz nach dem 2. April. Sie sah für exportorientierte Firmen drei Szenarien: «Augen zu und durch» – also Zölle zahlen. «Bye-bye USA» – sich aus dem Markt zurückziehen. Oder: Lieferkette optimieren. Letzteres wurde als die komplexeste, aber nachhaltigste Lösung beschrieben.
Unterschiedliche Strategien innerhalb der BRUGG Group
Auch in der BRUGG Group standen wir vor dieser Entscheidung – allerdings nicht einmalig, sondern mehrfach. Denn mit Geobrugg, BRUGG Lifting, Fatzer, Rittmeyer und BRUGG Pipes sind wir über verschiedene Tochterfirmen in den USA aktiv. Das Gesamtvolumen unseres US-Geschäfts lag im Jahr 2024 bei 46 Millionen Schweizer Franken, was etwa sieben Prozent des Gruppenumsatzes entspricht.
Die Ausgangslage war je nach Business-Unit verschieden. Bei Geobrugg, unserem Spezialisten für Schutzsysteme gegen Naturgefahren, im Motorsport und in der Industrie, setzen wir schon lang weltweit auf lokale Produktion. In Ländern wie Chile, Südafrika, Indien, China, Japan oder Australien produzieren wir aus der Region für die Region. In New Mexico betreiben wir ebenfalls ein Werk. Allerdings müssen aus Qualitätsgründen – auch beim Material – gewisse Komponenten weiterhin aus Europa geliefert werden. Was ausserdem hilft: Produkte zertifizieren. In der Formel 1 müssen Zäune beispielsweise «homologiert» sein. Hier hat Geobrugg die Nase vorn, aber natürlich nur so lange, bis die Konkurrenz aufholt.
Ähnlich ist es bei BRUGG Lifting. Unsere Aufzugsseile entstehen in der Schweiz und China, werden aber weltweit verschifft – auch in die USA, wo wir lokales Assembly betreiben. Und bei Fatzer, mit Spezialisierung auf Transport- und Architekturseile, beliefern wir aktuell unter anderem das neue Stadion von Inter Miami in Florida mit massgeschneiderten Seillösungen für das Dach, wo Lionel Messi kickt und David Beckham präsidiert. Dass wir in Nischenmärkten tätig sind, ist dabei ein Vorteil: Qualität, Langlebigkeit und Spezialisierung haben höhere Schmerzgrenzen. Leider werden diese aber überschritten, mit der Folge, dass die Kunden günstiger einkaufen müssen.
Investitionen in neue lokale Fertigung: BRUGG Pipes in Joliet
Ein spannendes Beispiel ist BRUGG Pipes. Hier haben wir entschieden, in die lokale Produktion einzusteigen. Im Frühjahr 2024 gründeten wir ein Joint Venture mit Rovanco Piping Systems. Innerhalb von nur 14 Monaten haben wir am Standort in Joliet (bei Chicago) eine neue Produktionshalle errichtet, die Fertigungslinie aufgebaut und vor wenigen Monaten das erste verkaufsfertige Rohrsystem produziert. Die ersten Kundenprojekte wurden im Juli 2025 ausgeliefert.
Insgesamt wurden etwa 20 Millionen US-Dollar investiert. Das neue Werk produziert flexible, vorisolierte Rohrsysteme. Diese eignen sich besonders für Nah- und Fernwärmeanwendungen sowie für Warm- und Kaltwasserleitungen im Erdreich. Ein leistungsstarker Polyurethanschaum sorgt für herausragende Dämmwerte und hohe Energieeffizienz – ein Produkt, das genau auf die Bedürfnisse moderner, klimafreundlicher Infrastrukturen zugeschnitten ist.
Eine der grössten Herausforderungen war der Aufbau einer belastbaren Lieferkette vor Ort. Heute stammen bereits rund 80 Prozent der eingesetzten Rohmaterialien aus den USA – eine wichtige Voraussetzung für stabile Produktionsprozesse und Zollunabhängigkeit.
Hub-Strategie statt Rückzug
Was ich aus den letzten Monaten gelernt habe: Es gibt keine Einheitslösung. Innerhalb derselben Firmengruppe können verschiedene Wege sinnvoll sein – von Export aus der Schweiz oder anderen Standorten bis zur vollständigen Lokalisierung. Für die BRUGG Group ist die Option «Bye-bye USA» jedoch keine Alternative. Knapp sieben Prozent der Schweizer Exporte gehen in die Vereinigten Staaten – ein Marktanteil, den wir nicht leichtfertig aufgeben werden.
Ich bin ein klarer Befürworter der sogenannten Hub-Strategie: Wenn möglich, wird dort produziert, wo verkauft wird. Nicht nur aus Zollgründen, sondern vor allem wegen der Kundennähe, kürzerer Lieferwege, weniger Emissionen, höherer Flexibilität und oft tieferer Gesamtkosten. «Innovate locally, promote globally» ist für mich mehr als ein Schlagwort – es ist gelebte Praxis.
Wichtig ist dabei, dass unsere internationalen Auf- und Ausbauschritte nicht losgelöst von der Schweiz geschehen. Unsere Werke im Ausland entstehen mit Unterstützung von erfahrenen Schweizer Mitarbeiter*innen – so zuletzt in den USA. Ich selbst durfte in meinen jungen Berufsjahren Produktionen in Japan und in den USA aufbauen und längere Zeit vor Ort arbeiten. Das war nicht nur fachlich wertvoll, sondern ebenso persönlich eine bereichernde Erfahrung.
Politik der Zusammenarbeit und nicht der Abschottung
Und zu guter Letzt sehe ich bei weiteren Handelsabkommen der Schweiz mit anderen Ländern noch Luft nach oben. Das Mercosur-Abkommen bedeutet beispielsweise, dass unsere Produkte in Brasilien von Zöllen und Importsteuern befreit sind, die 50 Prozent des Gesamtpreises ausmachen.
Ob im Handel mit den USA oder der EU: Wir brauchen eine Politik der Zusammenarbeit statt der Abschottung. Auch von Gegenmassnahmen halte ich persönlich nicht viel. Milton Friedman, Nobelpreisträger und einer der einflussreichsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, sagte einmal: «Der kluge Weg für uns ist genau das Gegenteil – einseitig auf den Freihandel hinzuarbeiten.» Damit erklärte er, dass Zölle und Handelsbeschränkungen sowohl dem Ausland als auch dem eigenen Land schadeten und es klüger sei, genau das Gegenteil zu tun, nämlich allein auf freien Handel zu setzen, statt auf Vergeltungsmassnahmen zu reagieren.