Erfolg in Indien

Die PackSys Global AG mit Sitz in Rüti betrachtet Indien als ihren grössten Einzelmarkt, und das seit 20 Jahren. Wie ist es dazu gekommen?

Wer Indien nicht kennt, geht möglicherweise davon aus, dass beim Eintritt in den indischen Markt die Kosten ausschlaggebend sind. Unseres Erachtens ist für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit in Indien jedoch vor allem die Fähigkeit zur Innovation und Differenzierung erforderlich, wie die folgenden Beispiele zeigen.

In den 1990er-Jahren wurden die meisten Zahnpastatuben weltweit aus Aluminium hergestellt. Auch in Indien, wo der Kostenfaktor eine grosse Rolle spielt, war das üblich, doch viele Inder*innen konnten sich entweder keine Zahnpasta leisten und verwendeten deshalb die Zweige des Neembaums zum Zähneputzen oder sie benutzten «Zahnpulver», das sie mit den Fingern auftrugen. Der indische Unternehmer Subhash Chandra erkannte, dass man andernorts auf der Welt damit begann, Aluminiumtuben durch Laminattuben zu ersetzen. Er griff den Trend auf und wollte als Erster in Indien diese neue Technologie anbieten. In der Folge kaufte er seine erste Laminattubenmaschine bei KMK, dem Vorgängerunternehmen von PackSys Global. Subhash Chandras Firma Essel (heute EPL) hat sich seitdem zum weltgrössten Laminattubenproduzenten mit Fabriken in 12 Ländern entwickelt. Indien ist der weltweit grösste Markt für Laminattuben für Zahnpasta, pharmazeutische Produkte, Kosmetika und andere Güter. Die Partnerschaft zwischen EPL und PackSys Global besteht bis heute.

In den 1980er-Jahren nahm ein führender indischer Hersteller von Metallverschlusskappen, Oriental Containers, mit Oberburg Engineering (heute ein Teil von PackSys Global), einem führenden Schweizer Produzenten von Maschinen zur Herstellung und Verarbeitung von Aluminiumverschlüssen, Kontakt auf. Damals bestanden die meisten Wasserflaschen aus Glas und deren Deckel aus Aluminium. Oriental Containers war auf der Suche nach einer Innovation, die es dem Unternehmen erlauben würde, sich im indischen Markt für Aluminiumverschlüsse von der Konkurrenz abzuheben. Oriental Containers bat Oberburg Engineering, ein Verfahren zu entwickeln, bei dem der geprägte Teil des Verschlusses gestanzt und anschliessend abgeschabt wird (also Farbe und Lack vom gestanzten Motiv entfernt werden), sodass die helle Silberfarbe des Aluminiums zum Vorschein kommt. Im indischen Markt schätzt man die Optik von unbehandelten gold- und silberfarbenen Metallen. Oberburg Engineering hatte diese Technologie bislang nicht entwickelt im Wissen, dass es sehr schwierig sein würde, die Anforderungen von Oriental Containers zu er­füllen. Oriental Containers versprach jedoch, 15 Maschinen zu kaufen, sollte Oberburg Engineering dieses Verfahren realisieren. In der Folge entwickelte Oberburg Engineering das gewünschte Verfahren, und Oriental Containers kam seiner Verpflichtung nach. Während die Elektronik und viele Originalteile dieser Maschinen nun veraltet sind oder ersetzt wurden, sind die Basismaschinen bis heute im Einsatz. 

Im indischen Markt werden Innovation und Differenzierung geschätzt, und Werte wie Vertrauen und Partnerschaft stehen hoch im Kurs. Es herrscht grosse Armut in Indien, und viele Produkte werden zu sehr niedrigen Preisen verkauft. Doch wenn Europäer ihren Fokus lediglich auf die Armut richten, verkennen sie das unglaubliche Potenzial dieses Landes mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern. Wenn nur 10 Prozent der Inder*innen ein Produkt verwenden, eröffnet das dieselben Chancen, als wenn 100 Prozent der Bevölkerung Polens und Deutschlands dieses Produkt kaufen würden. Es ist schwer vorstellbar, dass man etwas herstellen könnte, was alle Menschen in Polen und Deutschland kaufen würden. Aber etwas zu produzieren, was 10 Prozent der Inder*innen kaufen, wie Zahnpasta oder Metallverschlüsse (beides ist in Indien heutzutage weitverbreitet), ist eine ausser­ordentliche Chance.

Auch PackSys Global hat den Sprung gewagt und ist heute als Teil der familiengeführten deutschen Brückner Group im indischen Markt tätig. Der CEO der Brückner Group in Indien (BGI), Bruno Reggiani, ist Schweizer Bürger und langjähriger Mitarbeiter von PackSys Global. Angesichts des Erfolgs von PackSys Global im indischen Markt wurde Bruno Reggiani von Brückner gebeten, sich in Indien niederzulassen und dort die Aktivitäten aller zur Brückner Group gehörenden Firmen zu führen und weiterzuentwickeln. Das mehr als 100-köpfige Team der Brückner Group in Indien umfasst Konstruktions-, Automatisierungs- und Service-Ingenieure, Entwickler technischer Dokumentationen und digitaler Inhalte sowie ein kompetentes Verkaufsteam. Indiens ausgezeichnetes Bildungssystem erlaubt es PackSys Global, Schlüsselpositionen mit regionaler oder globaler Verantwortung zunehmend mit Inder*innen zu besetzen.

Indiens Wirtschaft befindet sich in konstantem Wachstum. In den Bereichen Verkehrsinfrastruktur und Stromerzeugung, die lange Zeit zu Indiens Schwachstellen zählten, wurden in den letzten Jahren enorme und nachhaltige Investitionen getätigt. Wie jede Chance ist auch die Geschäftstätigkeit in Indien mit Risiken verbunden. Die indische Währung, die Rupie, verliert jedes Jahr vor allem gegenüber dem Schweizer Franken, aber auch gegenüber dem Euro und dem US-Dollar an Wert. Das bedeutet, dass Unternehmen, die langfristig in Indien erfolgreich sein wollen, stets flexibel und kostenbewusst agieren müssen.