Abschaffung der Industriezölle – was KMU wissen müssen

Die Abschaffung der Industriezölle wurde vonseiten des Bundesrats im Februar 2022 beschlossen, und wird auf den 1. Januar 2024 in die Praxis umgesetzt. Während die grossen Unternehmen mit eigenen Zoll- oder Logistikabteilungen die Vorbereitungen vorantreiben, sollten auch KMU die neuen Regeln kennen und entsprechende Massnahmen treffen.

Von der Abschaffung der Zollabgaben sind alle Industrieprodukte betroffen. Konkret können ab 2024 alle Gegenstände mit Ausnahme derjenigen Produkte, die in die Zollkapiteln 1 bis 24 sowie einzelne Produkte der Kapiteln 35 und 38 fallen, zollfrei in die Schweiz eingeführt werden, und zwar ungeachtet bestehender oder noch zu verhandelnder Freihandelsabkommen oder der Vorlage von Ursprungszeugnissen. Auch werden Zollverfahren zur vorübergehenden Einfuhr und zur aktiven oder passiven Veredelung in der Praxis an Bedeutung verlieren, denn diese Verfahren dienten bisher hauptsächlich der Vermeidung der endgültigen Entrichtung von Zollabgaben, während die Einfuhrsteuer von den meisten Unternehmen im Inland als Vorsteuer zurückgefordert werden kann.

Die Abschaffung der Industriezölle wird die Wirtschaft in Bezug auf Einfuhrzölle und administrative Verfahren erheblich entlasten. Doch wer nun denkt, dass er von seinen in- und ausländischen Lieferanten künftig keine Ursprungszeugnisse mehr verlangen muss oder dass die bestehenden Freihandelsabkommen ihre Notwendigkeit verlieren, der irrt. Die Abschaffung wird zwar wesentliche Erleichterungen beim Import bringen, doch die bestehenden Regeln beim Export bleiben unverändert, da im Bestimmungsland der Ware weiterhin Zollabgaben erhoben werden. Bezieht ein Schweizer Unternehmen nach der Abschaffung der Industriezölle Waren aus dem Ausland und setzt es diese im Produktionsprozess ein, um damit Produkte für den Export herzustellen, spielt der zollrechtliche Ursprung seiner Vormaterialien weiterhin eine Rolle. Zwar nicht unmittelbar für die Einfuhr in die Schweiz, aber im Rahmen seiner eigenen Ursprungskalkulation für die Frage, ob er für das hergestellte und zu exportierende Produkt präferenziellen Schweizer Ursprung bescheinigen darf.

Nachstehend einige praktische Beispiele, anhand deren man die Tragweite der Änderungen ersehen kann:

• Unternehmen A ist in der Herstellung von Brandschutztüren tätig, die nur in der Schweiz vertrieben werden. Das dafür erforderliche Brandschutzmittel wurde bisher ohne Präferenz mit einem Zollansatz von CHF 30 pro 100 kg eingeführt. Ab 2024 fallen auf diesem Produkt die Zollabgaben weg.

• Unternehmen B vertreibt weltweit Wintersportartikel. Das europäische Zentrallager befindet sich in Österreich. Die asiatischen Lieferanten liefern zentral an das österreichische Lager. Von dort aus erfolgt unter anderem auch die Belieferung der Schweizer Kunden. Da eine allfällige Präferenz bereits bei der Einfuhr nach Österreich beansprucht wird, werden bei der Einfuhr in die Schweiz bis Ende 2023 Zollabgaben erhoben. Diese Zollabgaben fallen ab 2024 vollständig weg.

• Unternehmen C ist im Bereich der Herstellung von Diagnosegeräten tätig. Die dafür benötigten Isolierteile aus Keramik (Zolltarifnummer 8547.1000) beschafft es über den EU-Distributor, der die Waren direkt aus Indonesien in die Schweiz liefern lässt. Infolge des Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und Indonesien sind diese Lieferungen zollfrei. Der EU-Distributor wechselt im 2023 den Lieferanten und vertreibt nun Produkte, die in Taiwan hergestellt werden.

Die Einfuhren aus Taiwan lösen bei der Einfuhr in die Schweiz neu Zollabgaben von CHF 7.20 pro 100 kg aus. Bei der Präferenzkalkulation ist dieses Bauteil neu ohne Präferenz zu berücksichtigen. Dies gilt auch ab dem 1.1.2024, obwohl bei der Einfuhr in die Schweiz trotz nicht-präferenziellem Ursprung keine Zollabgaben mehr erhoben werden.

• Unternehmen D vertreibt international Kaffeemaschinen für den Gastrobereich. Der Produktionsprozess sieht eine teilweise Fertigung in der Schweiz und anschliessend eine Beistellung an einen in der EU ansässigen Lieferanten vor. Danach kommt die Ware zurück in die Schweiz. Mangels Präferenz wurde bisher die Ware von der Schweiz aus unter Anwendung des Verfahrens für die passive Veredelung ausgeführt. Für den in der EU stattfindenden Produktionsschritt muss künftig kein Verfahren der passiven Veredelung mehr beantragt werden.

• Unternehmen E muss im 2023 eine Maschine, die ausgefallen ist, kurzfristig ersetzen. Ein deutscher Lieferant vermietet ihm ein Fabrikat indischen Ursprungs für achtzehn Monate. Dabei wird das Verfahren der vorübergehenden Verwendung mit Sicherheitsleistung in Anspruch genommen. Das Verfahren muss über den 1. Januar 2024 hinaus beibehalten werden, da andernfalls Zollabgaben erhoben werden (massgebend ist das Einfuhrdatum, und dieses liegt im 2023).

Neben den zolltechnischen Anpassungen und Neuerungen ist im Laufe des Jahres 2023 sicherlich eine gut getimte Beschaffung und die Vermeidung von zu grossen Lagerkapazitäten mit zollpflichtigen Waren von zentraler Bedeutung. Die Herausforderung besteht darin, im ohnehin schon angespannten Beschaffungsumfeld bereits im Übergangsjahr 2023 nur die tatsächlich benötigte Menge einzukaufen, und so die Zollkosten im laufenden Jahr möglichst tief zu halten. KMU sind gut beraten, das Übergangsjahr 2023 für die richtige zollrechtliche Weichenstellung zu nutzen.