USA-Export neu denken: Standorte und Lieferkette

Der amerikanische Markt bleibt attraktiv, ist aber zunehmend schwer kalkulierbar. US-Strafzölle von 39 Prozent belasten die Schweiz besonders. Damit liegt sie auf Platz 5 der höchsten Zollsätze international, in Europa sogar an der Spitze. Globale Risiken, neue Regulierungen und wirtschaftspolitische Unsicherheiten sorgen für eine spürbar zurückhaltende Stimmung.

Laut dem aktuellen Global Business Optimism Index (GBOI) von Dun & Bradstreet ist der Global Supply Chain Continuity Index in der Schweiz um 20 Prozent gefallen. Besonders betroffen sind Branchen wie die Lebensmittelherstellung (–43 Prozent), der Transport (–36 Prozent) und der Finanz- und Versicherungssektor (–28 Prozent). Exportierende Unternehmen stehen vor einer Mischung aus Risiken, aber auch Chancen. Nearshoring, Risikodiversifikation und smarte Datenanalysen werden zu zentralen Stellschrauben im Exportgeschäft.

Nearshoring im Aufwind – aber nicht ohne Risiko

Globale Krisen haben Schwachstellen in den Lieferketten offengelegt. Viele Unternehmen reagieren mit einer Neuausrichtung: Sie arbeiten mehr mit Lieferanten aus Lateinamerika, Europa oder den USA zusammen und weniger mit solchen aus Asien. Die Vorteile sind: kürzere Wege, geringere Kosten, bessere ESG-Bewertungen und mehr Kontrolle über Prozesse und Qualität.

Doch Nearshoring birgt auch Risiken: Dazu gehören politische Unsicherheiten, Qualitätsprobleme, mangelnde Skalierbarkeit oder ESG-Verstösse. Eine sorgfältige Auswahl und eine laufende Risikoüberwachung bleiben entscheidend – auch bei regionalen Partnern.

Lieferantenrisiken systematisch managen

Ein modernes Lieferketten-Risikomanagement umfasst die Überwachung der ganzen Lieferkette. Unternehmen fokussieren sich hier überwiegend auf die Tier-1-Lieferanten. Studien zeigen aber, dass fast die Hälfte alle Lieferkettenstörungen ihren Ursprung bei Tier-2- oder Tier-3-Lieferanten hat. Nur zwei Prozent der Unternehmen betrachten die ganze Lieferkette, der Rest fokussiert sich auf die direkten Zulieferer.

Vier Säulen für ein starkes Lieferanten-Risikomanagement

Ein effektives Risikomanagement in der Lieferkette basiert auf vier Säulen. Sie bilden das Fundament für Resilienz, Transparenz und Handlungsfähigkeit:

1. Transparenz: Wer sind meine Lieferanten?

Ein belastbares Risikomanagement ist essenziell für die eigene Lieferkette. Es ist notwendig, die Tier-1-Lieferanten zu kennen, und Unternehmen müssen wissen, wer die Vorlieferanten (Tier-2, Tier-3) sind. Shipping-Daten, Handelsregisterinformationen und ESG-Ratings helfen, diese Netzwerke sichtbar zu machen. Nur wer weiss, wo kritische Abhängigkeiten bestehen, kann gezielt gegensteuern.

2. Bewertung: Welche Risiken bestehen?

Nicht alle Risiken sind gleich. Firmen müssen relevante Risikofaktoren identifizieren und priorisieren. Dazu gehören operative Risiken wie Lieferverzögerungen, finanzielle Instabilität sowie geopolitische, regulatorische oder klimabedingte Bedrohungen. Ein risikobasierter Bewertungsansatz, gestützt durch externe Datenquellen, ermöglicht eine differenzierte Einschätzung und gezielte Massnahmen.

3. Monitoring: Wie verändern sich diese Risiken über die Zeit?

Risiken sind dynamisch. Politische Entwicklungen, Naturkatastrophen oder wirtschaftliche Krisen können Lieferketten innerhalb kürzester Zeit destabilisieren. Ein kontinuierliches Monitoring – idealerweise automatisiert und datengestützt – ist deshalb unerlässlich. Frühwarnsysteme, die auf Echtzeitdaten basieren, gestatten es, Veränderungen frühzeitig zu erkennen und proaktiv zu reagieren.

4. Reaktion: Welche Alternativen stehen bereit?

Schon bevor eine Krise auftritt, sollten alternative Lieferanten identifiziert, bewertet und vertraglich abgesichert sein. Dazu gehört die Identifizierung von alternativen Bezugsquellen und Transportwegen. Denn im Ernstfall zählt Geschwindigkeit. Wer vorbereitet ist, kann flexibel reagieren und bleibt in Krisenzeiten lieferfähig. Automatisch aktualisierte Daten helfen dabei, Veränderungen rasch zu erfassen. ESG- und Finanzkennzahlen, Compliance-Screenings und KlimarisikoIndikatoren liefern zusätzliche Perspektiven. So lassen sich nicht nur Risiken minimieren, sondern auch Chancen erkennen – zum Beispiel durch die Identifikation alternativer Lieferanten oder die Bündelung von Einkaufsvolumen innerhalb von Konzernstrukturen.

Resilienz ist der neue Wettbewerbsvorteil

Für Schweizer Exporteure sind die USA weiterhin ein zentraler Absatzmarkt. Doch veränderte Rahmenbedingungen, geopoli­tische Spannungen und neue regulatorische Anforderungen machen eine strategische Standortwahl zunehmend relevant. Nearshoring bietet nicht nur die Möglichkeit, Lieferketten resi­lienter und effizienter zu gestalten – es eröffnet zudem Chancen, die Exportprozesse gezielt zu optimieren. Erfolgreicher Export erfordert heute mehr als Nähe: Es braucht kluge Entscheidungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.