Go West: Auf Umwegen nach New Jersey

Die Gericke Gruppe, ein Familienunternehmen, das 1894 in Zürich gegründet wurde, ist eine globale Anbieterin von Lösungen für die Schüttgutverarbeitung. Systeme von Gericke kommen in vielen Branchen zum Einsatz, zum Beispiel in der Nahrungsmittelindustrie, der Chemie, der Batterieherstellung und in der Pharmaindustrie. In vierter Generation beschäftigt das Unternehmen 350 Mitarbeiter*innen weltweit und ist mit zwölf Gruppenfirmen präsent. 

Nach dem Bau des Produktionsstandorts in Regensdorf begann die Internationalisierung mit einer Tochtergesellschaft in Deutschland im Jahr 1965. Gründe für die Expansion waren die Nähe zu Kunden und Lieferanten, kulturelle und sprachliche Vertrautheit, Kenntnisse lokaler Vorschriften sowie die Vorteile einer dezentralen Struktur. Es waren aber auch drohende Importzölle aus dem europäischen Raum, die zu diesem Schritt führten. Bald existierten weitere Gesellschaften in Westeuropa.

Eine wichtige Weichenstellung folgte 1993: Soll die weitere Expansion in den USA oder in Asien stattfinden? Der Entscheid fiel auf Asien, mit einer Niederlassung in Singapur. Der asiatische Markt versprach ein grösseres Wachstum bei geringerer Marktreife. Gericke Singapur ist über die Jahre stark gewachsen und bildet heute den zweitgrössten Standort der Gruppe. Es folgten weitere Filialen in Südostasien, und die Gründung von Gericke Shanghai im Jahr 2008 war die logische Weiterentwicklung.

Das internationale Wachstum von Gericke war stets ein Spiegel der Zusammenarbeit mit global tätigen Kunden. Diese haben in der Schweiz Gericke eingesetzt und wollten an anderen Standorten diese Technologien verwenden. Dafür musste Gericke aber die weltweite Präsenz ausbauen, um den gewohnten Service zur Verfügung zu stellen.

Aus diesem Grund ergab sich der erste Schritt nach Westen nicht in die USA, sondern nach Brasilien. Hier konnte Gericke für Nestlé mehrere Projekte realisieren. Heute ist Gericke Brasilien eine anerkannte Grösse für Schüttgutanlagen im ganzen süd­amerikanischen Markt und geniesst das Vertrauen von vielen lokalen und globalen Kunden.

Ein weiterer Aspekt bei Gericke ist die dezentrale Struktur. Die Schlüsselprozesse (z. B. das Mischen) werden von eigenen Maschinen aus europäischer Produktion abgedeckt. Die lokalen Teams entwerfen daraus das komplette System und beschaffen weitere Komponenten wie Silos, Podeste, Rohrleitungen und häufig die Automatisierung von bewährten lokalen Lieferanten. So erfolgt ein wichtiger Teil der Wertschöpfung lokal, während nur ein Teil der Maschinen importiert wird. Dadurch ist Gericke mit lokalen Teams nahe am Kunden, spart Import- und Transportkosten und unterstützt gleichzeitig die lokale Wirtschaft.

Aber wie hat sich Gericke in den USA entwickelt? In einem der grössten Märkte der Welt hat sich Gericke in kleineren Schritten vorwärtsbewegt. Während einiger Jahre konzentrierte man sich auf den Vertrieb von Einzelmaschinen über einen unabhängigen lokalen Distributor. Daneben wurden Anlagen bei globalen Kunden umgesetzt, direkt aus der Schweiz. Parallel wurden Verbindungen zu einer amerikanischen Universität geknüpft, die bahnbrechend die Entwicklung der kontinuierlichen Herstellung in der Pharmaindustrie begleitet hat. Hier kommt eine Schlüsseltechnologie von Gericke zum Zug, die heute bei vielen Pharmafirmen im Einsatz ist.

Mit all diesen Aktivitäten in den USA entschied sich Gericke, den grossen Schritt zu wagen. Dabei stand zuerst die Übernahme einer bestehenden Firma im Raum. Allerdings wurde hier kein passender Partner gefunden. So kam es 2015 zur Gründung einer eigenen Tochtergesellschaft.

Als Standort fiel die Wahl auf den Grossraum New York/Philadelphia. Neben guter Verkehrsanbindung nach Nordamerika und Europa erleichtert die minimale Zeitverschiebung die Zusammenarbeit. Nicht zu unterschätzen ist zudem die Verfügbarkeit von gut ausgebildetem Personal in diesem Ballungsraum. Schliesslich entschied sich Gericke für Somerset in New Jersey, 30 Meilen vom Flughafen Newark entfernt.

Die bestehenden Kunden in den USA haben es ermöglicht, mit einem etablierten Netzwerk zu starten. Auch ein Ersatzteil- und Servicegeschäft war damit vorhanden. Nun galt es, die Marke und das Angebot weiter bekannt zu machen. Neben eigenem Aussendienst gehören dazu Messeteilnahmen, Kundenseminare, Onlinepräsenz und die Arbeit mit der lokalen Fachpresse.

Dem dezentralen Ansatz folgend, hat Gericke USA lokale Partner aufgebaut. Die Zusammenarbeit mit diesen Firmen bringt nicht nur zusätzliche Leads und Kontakte, sondern verringert ausserdem den Importanteil für komplette Anlagen. Die Einhaltung von abweichenden technischen Normen wird ebenfalls stark vereinfacht.

Wo steht Gericke USA heute? Was als «One-Man-Show» begann, ist heute ein schlagkräftiges Team mit Verkauf, Service und einem eigenen Testcenter, wo Kundenversuche durchgeführt werden. In Kombination mit der hohen Präsenz am Markt hat seit 2021 ein starkes Wachstum eingesetzt. Erfreulicherweise tragen hier lokale Kunden zu einem grossen Teil bei.

Der dezentrale Ansatz von Gericke wird durch die hohen Importbarrieren derzeit noch wichtiger. Das ursprüngliche US-Geschäft, vorwiegend Einzelmaschinen durch Distributoren zu vertreiben, wäre im aktuellen Umfeld kaum mehr umsetzbar. Gericke wird kurzfristig sehr umsichtig Mittel in den Ausbau des US-Standorts investieren. Aber es gilt, jederzeit für ein weiteres Wachstum bereit zu sein.