Europa erholt sich langsam
Wir gehen von einer leichten Erholung in Europa im nächsten Jahr aus. Das leicht stärkere Wachstum dürfte ebenfalls für Schweizer Unternehmen interessant werden. Jüngste Daten zeigen einen rückläufigen Inflationsdruck, und wir rechnen für 2025 mit noch tieferen Werten. Die meisten grossen Länder der Eurozone haben eine Chance, in den Zielbereich der Europäischen Zentralbank zurückzukehren. Deutschland wird unseres Erachtens nur knapp über der
2-Prozent-Schwelle liegen. Immer noch etwas überhitzt bezüglich Inflation und Wachstum ist die Lage in Spanien. Dort rechnen wir auch für 2025 mit Inflationsraten in der Nähe von 3 Prozent. Für die Eurozone prognostizieren wir eine Wachstumsrate des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 1,2 Prozent für 2025, nach einem Wachstum von nur 0,5 Prozent in den Jahren 2024 und 2023. Für Unternehmen aus dem Ausland, die mit der Eurozone Geschäfte tätigen, ist zudem das Nominalwachstum wichtig. Dieses liegt bei rund 3 Prozent in diesem und im nächsten Jahr mit einem – wie oben beschrieben – günstigeren Mix aus Inflation und Realwachstum im Jahr 2025.
Spannend für Schweizer Unternehmen ist die Entwicklung in Zentraleuropa, insbesondere die Erholung in Polen. Wir prognostizieren für 2025 ein BIP-Wachstum von 3,4 Prozent nach 2,8 Prozent im Jahr 2024 und 0,2 Prozent im Jahr 2023. Das, weil der deutliche Rückgang der Inflation die Nachfrage fördert. Nach einem Hoch von 11 Prozent im Jahr 2023 auf deutlich moderatere Werte sollte der weiterhin starke nominale Lohnzuwachs die private Nachfrage dank steigender Realeinkommen unterstützen.
Aus institutioneller Sicht ist Polen heute besser positioniert als noch vor ein paar Jahren. Die neue Koalitionsregierung unter Donald Tusk hat eine Annäherung an Europa bewirkt, wovon der Handel, die Industrie und der Staatshaushalt profitieren. Während eine Ausweitung des Ukrainekriegs ein Risiko für Polen darstellt, begünstigt die Migration aus dem Krisengebiet den Arbeitsmarkt, da die Nachfrage nach Arbeitskräften weiterhin sehr hoch ist.
In Ungarn sehen wir eine ähnlich positive Entwicklung bezüglich sinkender Inflation und steigenden Wachstums wie in Polen. Die Integration mit Europa verläuft jedoch aus politischen Gründen etwas harziger. Dennoch ermöglichte der Inflationsrückgang Leitzinssenkungen von 13 Prozent im September 2023 auf derzeit 7,75 Prozent. Auch hier darf in den nächsten Jahren mit einer weiteren Stabilisierung gerechnet werden.
Insgesamt sind wir positiv auf die europäischen Währungen im Verhältnis zum US-Dollar eingestellt. Die globale Zinssenkungsrunde, die im zweiten Halbjahr 2024 ansteht und voraussichtlich bis Mitte des nächsten Jahres dauert, verspricht, die Risikofreudigkeit der Anlegerinnen und Anleger zu unterstützen. Gleichzeitig nähern sich unseres Erachtens die Wachstumsraten von Europa und den USA weiter an, wenn in den USA, wie von uns erwartet, das Wachstum von 2,3 Prozent im Jahr 2024 auf 1,4 Prozent im Jahr 2025 sinkt. Mit ähnlichen Wachstumsraten und Inflationswerten in den USA und Europa wird sich die Sonderstellung der USA allmählich auflösen. Bislang wurde der US-Dollar von relativ hohen Zinsen und politischer Sicherheit gestützt. Dieser Schutz dürfte in den nächsten zwölf Monaten allmählich verschwinden, was wiederum den Euro und die Währungen Mitteleuropas gegenüber dem Greenback stärkt.