
Die USA werden wieder billiger
Nach der pandemiebedingten Rezession haben die USA einen starken Wachstumsschub erfahren, verbunden mit hoher Inflation. Wie üblich lief ihr Zyklus vor den Zyklen der anderen G-10-Staaten. Die Erholung war so stark, dass die Federal Reserve (Fed) ungewöhnlich heftig aufs Bremspedal treten musste, was die Märkte und die Arbeitgeber verunsichert hat. Die aktuelle Datenlage spricht nämlich für noch höhere Zinsen. Die Inflation liegt noch weit über dem Zielwert von zwei Prozent, die Arbeitslosenrate ist auf dem tiefsten Punkt seit über 20 Jahren, und der Konsum ist bislang von den hohen Zinsen kaum negativ betroffen. Die meisten ökonomischen Modelle hingegen behaupten, die Zinsen seien viel zu restriktiv für die Wirtschaft und die Zentralbank solle möglichst rasch die Geldpolitik lockern. Die Bankenkonkurse in Kalifornien sprechen ebenfalls für einen weniger restriktiven Kurs, selbst wenn die Fed versichert, dass die Liquiditätsengpässe in der betroffenen Region mit anderen Mitteln als mit Zinsen angegangen werden.
Was bedeutet nun der Abschwung für Exporte in die USA, für Importe aus den USA und potenzielle Investitionen in der Region? Die USA werden billiger! Die Inflation ist am Fallen; im Durchschnitt bleiben die Preise zwar hoch, aber sie steigen zumindest nicht im gleichen Ausmass wie in den letzten Jahren. In einzelnen Sektoren, in denen die Preise übertrieben angestiegen sind, darf man durchaus mit tieferen Preisen rechnen. Billiger wird es für Schweizer und Europäer vor allem, weil sich der US-Dollar unseres Erachtens deutlich abschwächen wird. Der Dollar genoss in den letzten Jahren einen exklusiven Aufschwung. Vergleichsweise hohe Zinsen, eine stabile Wirtschaft und eine attraktive Aktienperformance haben die Währung unterstützt. Zudem war die politische Lage eher ruhig, wie in Zeiten mit expansivem Staatshaushalt üblich. Doch langsam zeichnet sich die Unruhe der Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr ab.
Der US-Dollar genoss ausserdem Unterstützung aufgrund internationaler Spannungen. In Europa entschloss sich die Europäische Zentralbank (EZB) viel zu spät, die steigende Inflation mit Zinserhöhungen zu bekämpfen. Seither läuft sie mit eher mässigem Erfolg dem Inflationsdruck hinterher. Der Währung schadet eine solche verspätete geldpolitische Reaktion in den meisten Fällen. Der Euro wäre heute unseres Erachtens viel stärker und die Inflation viel tiefer, wenn die EZB am Anfang des Inflationsschubs mit Weitsicht frühzeitig reagiert hätte, und diese Währungsstärke hätte auch die importierte Inflation zurückgestaut. Diese Belastung des Euros wird in den nächsten Quartalen verschwinden. Schon heute sieht man, dass Anleger Kapital aus den USA in ihre G-10-Heimbasis repatriieren, sei es aus der Eurozone, England, der Schweiz oder anderen Währungsräumen. Diese Repatriierung ist der eine Grund für die Dollarschwäche.
Der andere Grund für die so lang anhaltende Unterstützung des US-Dollars in diesem Zyklus liegt in der verzögerten Öffnung der Wirtschaft in China, Japan und einigen anderen asiatischen Ländern. Das hat die Währungen dieser Länder auf längere Zeit geschwächt und gleichzeitig die Sichere-Hafen-Rolle des Dollars gestärkt. Auch dieser Aspekt wird aus unserer Sicht zunehmend in den Hintergrund treten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Das Ende der Zinserhöhungen in den USA und die Normalisierung in anderen Regionen der Welt werden dem US-Dollar die Unterstützung entziehen, die er in den letzten Jahren genoss.