Wenn alles gut geht, wird der Franken schwächer

Die Pandemie ist praktisch vorüber. Nach einer ziemlich massiven Durchseuchung in diesem Winter wird Corona zur Endemie, sprich für die Gesellschaft so tragbar wie jeder bekannte Grippevirus. Das ist zumindest unsere Arbeitshypothese, die wir als den wahrscheinlichsten Verlauf für dieses und nächstes Jahr erwarten. Gemessen an der Gesamtproduktion, hat sich die Wirtschaft von der Corona-Rezession schon deutlich erholt. Die Wachstumsraten für die Eurozone liegen nach –6,5 Prozent in 2020 bei +5,1 Prozent in 2021 und geschätzten 4,2 Prozent in 2022. Das Wachstum in 2023 dürfte dann bei 2,3 Prozent und somit nochmals über dem langfristigen Trend liegen und die durch die Pandemie entstandene Lücke füllen.

Die starken Wachstumsraten dürfen jedoch über einen Umstand nicht hinwegtäuschen. Es sind deutliche Unterschiede zwischen dem starken Konsum und den schwachen Investitionen auszumachen, die der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hinterherhinken. Das lässt sich sehr gut am globalen Handel ablesen, der noch lange nicht zu seiner alten Stärke zurückgefunden hat. Lieferengpässe und wirtschaftliche Unsicherheit haben einen Investitionsrückstand bewirkt, der in manchen Sektoren zu massiven Engpässen führt. Das prominenteste Beispiel ist Öl, wo die tiefen Investitionen der letzten Jahre zum hohen Ölpreis beitragen.

Länder mit einer starken industriellen Basis wie die Schweiz, Deutschland, Schweden oder Norwegen spüren den Investitionsrückstand besonders. Gerade Norwegens Ölsektor sollte aufgrund der steigenden Ölpreise mit neuen Projekten überzeugen. Hohe Ölpreise lösen jedoch nicht nur Investitionen in die Ölförderung aus, sondern vermehrt in nachhaltige Energiegewinnung und Energiesparmassnahmen. Hier sind Schweden, Norwegen, Deutschland und England als Nachfrager und als Produzenten interessant. In Norwegen, Deutschland und England kommt noch die Schifffahrt hinzu, wo ebenfalls beachtliches Investitionspotenzial herrscht. Opportunitäten gibt es genügend, und die Zinsen dürften auch mit den anstehenden Zinserhöhungen noch immer im attraktiven Bereich bleiben. Für die realwirtschaftliche Entwicklung ist wichtig, dass auch die Schwellenländer die Pandemie erfolgreich überstehen. Sie dienen mit ihrer Wirtschaftsleistung als Katalysator für die Entwicklung auf unserem Kontinent.

Für die Wechselkurse ist der Zinsverlauf in den einzelnen Ländern vermutlich fast wichtiger als die realwirtschaftliche Entwicklung. Wenn sich das volkswirtschaftliche Wachstum dieses Jahr gemäss unserer Erwartung leicht über dem Trendwachstum stabilisiert, werden die Europäische Zentralbank (EZB), die schwedische Riksbank und die Schweizerische Nationalbank (SNB) Zinserhöhungen beschliessen. Die Bank of England und die Norges Bank haben die Zinsen bereits angehoben. Die SNB wird unseres Erachtens das sichere Fahrwasser der EZB nicht verlassen. Sie wird erst später an der Zinsschraube drehen und versuchen, einen ordentlichen Zinsunterschied zu Europa aufzubauen. Stabiles internationales Wachstum und attraktivere Renditen im Ausland sprechen für eine Abwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro und dem britischen Pfund. Normalerweise müsste sich der Franken auch gegen die schwedische und die norwegische Krone abwerten, die normalerweise bei gutem globalen Wachstum zulegen. Die Währungen der beiden kleineren Länder können jedoch sehr volatil reagieren, wenn Inflation oder einzelne Wirtschaftssektoren im eigenen Land negativ überraschen.